Die erste, die aus unserem Hause Turmstraße 9 am 27.11.1941 nach Riga deportiert wurde, war Dorothea Blass im Alter von 44 Jahren. Wir hatten dann noch zwei natürliche Todesfälle in unserem Haus zu beklagen. Es starben Elise Fraustädter und Olga Blankenstein. Da waren wir nur noch 20.
Nach einem Jahr ging das dann alles sehr schnell, die Endlösung der Judenfrage war ja angesagt: Die Familie Strom wurde am 29.11.1942 nach Auschwitz deportiert; das waren Hans Strom im Alter von 37 Jahren, seine Frau Malka mit 36 Jahren und ihre Söhne Karl-Heinz, 11 Jahre alt und Norbert mit 9 Jahren.
Die Personenanzahl in unserem Keller war jetzt zusammengeschrumpft auf 16 Personen. Zehn Tage später, am 9.12.1942, wurde die Familie Max Mann, 48, und Margarete Regina Mann, 50 Jahre, ebenfalls nach Auschwitz deportiert.
Wiederum fünf Tage später, am 14.12.1942, verließen uns die Schwestern Betty Fraustädter, 61, und Martha, 59, sowie Anna Blankenstein mit 62 Jahren, alle drei wurden ebenfalls nach Auschwitz deportiert. Jetzt waren wir nur noch elf Personen im jüdischen Luftschutzkeller.
Und am 3. Februar 1943 wurden dann die restlichen Juden aus unserem Haus in den Tod geschickt: Golda Stern, 50 Jahre, die Familien Carl Samenfeld, 58, und seine Frau Martha 51 Jahre alt, mussten ihre Fahrt in den Tod antreten. Ebenfalls am 3. Februar 1943 wurde auch die Familie Leopold Jalowitz, 42, seine Frau Minna, 33 Jahre alt und ihre drei Jahre alten Zwillinge Bela und Chana nach Auschwitz in den Tod geschickt. Innerhalb von zwei Monaten und vier Tagen war der Judenkeller fast leer, es war wie die Geschichte von den “Zehn kleinen Negerlein”. Zurück blieb nur noch die Familie Selbiger, die zwar verfolgt wurde und um ihr Leben zitterte, die aber letztendlich überlebt hat.
(Aufgeschrieben von Horst Selbiger, der als Jugendlicher in diesem Haus den Faschismus überlebte)