Wir haben uns heute hier versammelt, fast 77 Jahre nachdem die Familie Heimann – der Vater James, die Mutter Marie und der Sohn Heinz-Ingo – dieses Haus zum letzten Mal verlassen hat und in ihren Tod am Neunten Fort bei Kowno in Litauen getrieben wurden. James war 39, Marie 33 und der Sohn Heinz-Ingo 10 Jahre alt.
Marie Heimann war die jüngste Schwester meiner Großmutter, die hier in diesem Kiez lebte, wie die meisten ihrer Brüder und Schwestern (sie waren ursprünglich neun) in den 20er und 30er Jahren mit ihren Familien.
Als ich damit begann, meine Familiengeschichte zu erforschen, wollte ich nicht nur erfahren, wie und wann sie ermordet wurden, sondern auch und in erster Linie, wie und wovon sie hier in Moabit lebten. Sie waren einfache Arbeiter und Angestellte, die wie viele andere in jenen schwierigen Jahren um’s Überleben kämpften. Das Wenige, das wir über die Familie Heimann wissen, ist, dass James, der Maries zweiter Mann war, als Fahrer arbeitete. Marie selbst war eine schöne Frau. Sie arbeitete als Sekretärin. Der Sohn Heinz-Ingo wurde 1938 in die vierte private Voksschule der Jüdischen Gemeinde in der Klopstockstraße eingeschult. Die Familie lebte seit 1936 in einer Wohnung in der Gotzkowskystraße 25.
Die Familie wurde am 17. November 1941 mit dem Transport Nr. 6 nach Kowno deportiert. Im Zug waren 944 Deportierte. Sie erreichten Kowno am 21. November und wurden am 25. November erschossen.
